Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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CO₂-neutrale Prozesswärmeerzeugung

Elektrische und hybride Kesselsysteme zur Grünstromnutzung

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Im Gespräch mit dem Anuga Food Tec Magazin beleuchtet Daniel Gosse, Global Head of Marketing bei der Bosch Industriekessel GmbH, die Vision von Bosch, die Lebensmittelindustrie mit innovativen Energielösungen auf dem Weg zur CO₂-Neutralität zu unterstützen. Elektrische und hybride Lösungen spielen dabei eine zentrale Rolle, um Prozesswärme nachhaltig zu erzeugen und fossile Brennstoffe schrittweise zu ersetzen. Daniel Gosse gibt Einblicke in die Vorteile, Herausforderungen und Zukunftsaussichten dieser Technologien.

Elektrodampfkessel ELSB bei der Fa. PepsiCo in Polen

Elektrodampfkessel ELSB bei der Fa. PepsiCo in Polen ©Bosch Industriekessel GmbH

Welche Rolle spielt die Nutzung von Sonnenenergie (Photovoltaik) bei der nachhaltigen Erzeugung von Dampf und Heißwasser in den Kesselsystemen von Bosch, und welche Vorteile ergeben sich daraus für die Lebensmittelindustrie?

Daniel Gosse: Photovoltaik und generell Strom aus erneuerbarer Erzeugung spielt eine wichtige Rolle, wenn es um klimaneutrale Prozesswärme in der Lebensmittelindustrie geht. Photovoltaikanlagen erzeugen aus Sonnenenergie Grünstrom und dieser wird in unseren Elektrodampferzeugern hocheffizient in Prozesswärme umgewandelt. Das ermöglicht energieeffiziente und umweltfreundliche Prozesse, was den CO₂-Ausstoß deutlich senkt und nachhaltige Produktionsziele unterstützt. Da Sonnenenergie nur begrenzt verfügbar ist, empfehlen sich hybride Lösungen, die eine Kombination aus Grünstrom und anderen Energieträgern ermöglichen. So profitieren Lebensmittelhersteller von den ökologischen Vorteilen von Grünstrom, ohne auf Versorgungssicherheit zu verzichten.

Welche Herausforderungen bestehen bei der Nutzung von Photovoltaik und anderen erneuerbaren Energien in der industriellen Wärmeerzeugung?

Daniel Gosse: Eine der größten Herausforderungen ist, wie bereits erwähnt, die Schwankung in der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, wie zum Beispiel aus Solar- und Windkraft. Laut Studien des Fraunhofer-Instituts liefert die Sonne in Deutschland im Durchschnitt nur etwa 1.000 Volllaststunden an Energie im Jahr (das Jahr hat 8.760 Stunden), was bedeutet, dass nicht das ganze Jahr über konstant Solarstrom zur Verfügung steht. Hier bietet sich der Einsatz von hybriden Kesselsystemen an, die beispielsweise aus Elektrodampferzeugern und konventionellen Kesseln oder aus reinen Hybridkesseln mit integriertem Heizstab bestehen.

Welche Vorteile bieten Hybridlösungen, die auf eine Kombination aus elektrischer Wärmeerzeugung und Verbrennung setzen?

Daniel Gosse: Die hybriden Lösungen bieten den Vorteil, dass sie Flexibilität, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit vereinen. Die Betreiber unserer hybriden Kesselsysteme können Grünstrom priorisieren und nur dann auf Brennstoffe zurückgreifen, wenn der erneuerbare Strom nicht ausreicht. Unser Projekt bei PepsiCo in Polen ist ein gutes Beispiel dafür: Dort nutzt der Elektrodampfkessel ELSB überwiegend überschüssigen Ökostrom aus der Photovoltaikanlage vor Ort. Mit einer elektrischen Leistung von 3,6 Megawatt kann der Kessel bis zu fünf Tonnen Dampf pro Stunde erzeugen. Als Backup und für Spitzenlasten ist ein erdgasbefeuerter Bosch-Dampfkessel eingesetzt. So kann PepsiCo von einer zuverlässigen Versorgung profitieren und gleichzeitig den Anteil an fossilen Brennstoffen enorm reduzieren.

Daniel Gosse, Global Head of Marketing and Academy bei der Bosch Industriekessel GmbH. © Bosch Industriekessel GmbH

© Bosch Industriekessel GmbH

Wie groß ist das Potenzial für CO₂-Einsparungen durch den Einsatz von erneuerbaren Energien in der Wärmeerzeugung?

Daniel Gosse: Die Effizienz unserer Elektrodampfkessel liegt bei bis zu 99,6 %, was bedeutet, dass fast die gesamte Energie in Dampf umgewandelt wird. Wenn dieser Strom aus erneuerbaren Quellen wie Photovoltaik stammt, lassen sich die CO₂-Emissionen vollständig vermeiden. Unternehmen, die langfristige PPA-Verträge (Power Purchase Agreements) für grünen Strom abschließen, haben dadurch die Möglichkeit, ihre Prozesse komplett klimaneutral zu gestalten. Die CO₂-Einsparungen sind in der energieintensiven Lebensmittelindustrie beträchtlich und machen grüne Technologien im Vergleich zu fossilen Brennstoffen zu einer wirtschaftlich und ökologisch vorteilhaften Lösung. Derzeitige Engpässe sind jedoch vielerorts die Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie 365 Tage im Jahr und z. B. die regionale Netzinfrastruktur für die Elektrifizierung.

Wie sieht die Verbreitung von nachhaltigen Kesselsystemen in der Lebensmittelindustrie aus und welches Potenzial sehen Sie zukünftig noch?

Daniel Gosse: In Deutschland sind viele industrielle Kesselanlagen noch nicht auf dem neuesten Stand der Technik. Studien des Bundesverbands Deutscher Heizungshersteller (BDH) zeigen, dass etwa 70 bis 80 % der Bestandsanlagen veraltet sind und kaum effiziente Technologien, zum Beispiel zur Abwärmenutzung, eingesetzt sind. Dabei ist die Effizienzsteigerung der Schlüssel, um Kesselsysteme nachhaltiger zu betreiben. Besonders in der Lebensmittelverarbeitung sehen wir ein großes Potenzial, da hier gleichzeitig Wärmesenken zur Nutzung von Abwärme vorliegen. Die Nachrüstung von Effizienzmodulen wie Abgaswärmetauschern sind eine von vielen Maßnahmen, die dieses Potenzial ausschöpfen, den Brennstoffverbrauch reduzieren und gleichzeitig CO2-Emissionen senken.

Welche Rolle spielen politische Rahmenbedingungen und Förderprogramme für die Verbreitung von CO2-neutralen Kesselsystemen?

Daniel Gosse: Förderprogramme und politische Unterstützung sind entscheidend, um den Übergang zu CO₂-neutralen Systemen zu beschleunigen. In Deutschland fördert das Bundeswirtschaftsministerium aktuell Dekarbonisierungsprojekte mit Zuschüssen von bis zu 50 % für kleine und 40 % für größere Unternehmen, wobei die Mindestinvestition für kleine Unternehmen bei 500.000 Euro und für größere bei 1 Million Euro liegt (Stand: August 2024). Solche Förderungen machen es für viele Unternehmen attraktiver, in grüne Technologien zu investieren. Allerdings bleibt eine Hürde: Der Strompreis und insbesondere die Netznutzungsgebühren in Deutschland sind meist deutlich höher als der Preis für fossile Energieträger (z. B. Erdgas). In Ländern mit niedrigeren Preisunterschieden setzen Unternehmen daher schneller auf nachhaltige Technologien. Mit gezielteren Förderungen und Investition in die Netzinfrastruktur könnte die Verbreitung von strombasierten und weiteren erneuerbaren Lösungen in Deutschland und Europa noch stärker gefördert werden.

Kontakt zum Gesprächspartner:
Daniel Gosse

E-Mail: daniel.gosse@de.bosch.com
Global Head of Marketing bei
Bosch Industriekessel GmbH
Nürnberger Str. 73
D-91710 Gunzenhausen