Fermentation
Dass man hochwertige Proteine heute aus Biomasse, wie etwa Sojabohnen, aber auch aus diversen Nebenströmen der Pflanzenverarbeitung erzeugen kann, ist bekannt. Und wird unter der Bezeichnung Biomassefermentation heute im Großmaßstab betrieben. Die fleißigsten Helfer in den Bioreaktoren stammen aus dem Reich der Pilze. Ihr Myzel durchdringt die Biomasse mit hoher Geschwindigkeit. Es dauert nur Stunden, damit sie ihr Gewicht verdoppeln. Dabei verwerten sie das Substrat und bauen daraus wertvolle Eiweiße auf.
Bekannt ist hier vor allem Quorn – ein Fleischersatzprodukt des gleichnamigen Unternehmens, das 2015 im philippinischen Monde-Nissin-Konzern aufgegangen ist. In den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen Befürchtungen auf, die Menschheit würde auf einen Mangel an proteinreicher Nahrung hinsteuern. Also begaben sich Forscher auf die Suche nach Mikroorganismen und wurden in Bodenproben fündig. Sie stießen auf den Schlauchpilz Fusarium venenatum. Der wird in einer Traubenzuckerlösung kultiviert und anschließend zu einem Nahrungsmittel verarbeitet.
Proteine nach Maß
Auch wenn die Möglichkeiten der Biomassefermentation riesig sind, haben sie doch ihre Grenzen in der Biologie. Denn es lässt sich nur erzeugen, was die verschiedenen Mikroorganismen auch von Natur aus erzeugen können. Mit diesem Paradigma bricht die Präzisionsfermentation. Denn hier werden die winzigen Helfer so angepasst und programmiert, dass sie ganz spezielle Stoffe herstellen. Möglich machen es biotechnologische Verfahren, mit denen sich das Erbgut der Mikroorganismen verändern lässt. Denn wird zum Beispiel einem gewöhnlichen Darmbakterium der Art Escherichia coli das für die Labproduktion beim Rind verantwortliche Gen eingeschleust, wird das Bakterium zur Labfabrik.
Anders als bei der Biomassefermentation steht hier nicht die Masse im Vordergrund. Stattdessen kommt es darauf an, maßgeschneiderte Proteine zu erhalten. Milchprotein zum Beispiel. Oder Eiprotein. Das lässt sich dann dazu verwenden, die alternativen Lebensmittel noch näher an Geschmack und Textur des tierischen Originals heranzubringen. Dank neuester gentechnischer Verfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas, Fortschritten in der synthetischen Biologie und der wachsenden Unterstützung durch Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz sind der Fantasie hier kaum Grenzen gesetzt.
Aus der Luft gegriffen
Eines haben klassische, Biomasse- und Präzisionsfermentation gemeinsam – sie setzen pflanzliche Rohstoffe voraus, die von den Mikroben umgewandelt werden. Ginge es vielleicht auch ohne? Ja, es geht. Und zwar, indem man auf wahre Überlebenskünstler der Evolution zurückgreift. Archaeen zum Beispiel. Einige dieser im Volksmund auch als „Urbakterien“ bekannten Kleinstlebewesen bauen sich ihre Proteine schlicht und einfach aus der Luft. Genauer gesagt, setzen sie die Gase Kohlendioxid, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff zusammen sowie einige Spurenelemente zu Aminosäuren – den Bausteinen der Proteine. Diesen Ansatz hat das österreichische FoodTec Start-up Arkeon gewählt. Und auch Solar Foods aus Finnland geht einen solchen Weg. Solein heißt ihr Produkt, mit dem sich nach Herstellerangaben nicht nur mit den Ressourcen auf der Erde vernünftig haushalten, sondern auch nach den Sternen greifen lässt. Denn die Finnen denken auch darüber nach, die Gas-Fermentation zur Versorgung von bemannten Missionen in den Weltraum abheben zu lassen.
Das beste Mittel für den Zweck
Doch welche Art der Fermentation ist hilfreich, wenn es um die Proteinwende geht? Die Antwort ist einfach: alle. Die klassisch fermentierten Lebensmittel können unseren Speiseplan nach wie vor bereichern und erweitern – vor allem, wenn wir an die Köstlichkeiten aus fernen Ländern denken.
Mit großen Mengen Proteinen kann die Biomassefermentation aufwarten. Sie kann eine Basis für Fleischersatzprodukte liefern und dabei auch die nicht ganz so hochwertigen Nebenströme aus der Landwirtschaft, wie Presskuchen der Ölgewinnung, aufwerten. Die Präzisionsfermentation wiederum kann Zutaten liefern, um pflanzliche Alternativen in Geschmack und Biss noch weiter zu optimieren. Und die Gas-Fermentation könnte sogar die Lebensmittelversorgung ganz von der Landwirtschaft entkoppeln – zumindest dort, wo es auch sinnvoll ist.
Die Player der Proteinwende – eine Auswahl
Mehrere Analysten sehen in den alternativen Proteinen ein wachsendes Marktsegment. Mittlerweile gibt es über 120 Unternehmen auf der Welt, die dafür auf die Fermentation setzen, zehn davon in Deutschland. Eine Handvoll haben wir ausgewählt und stellen sie hier kurz vor.
Der Schlauchpilz und das Urgestein
Quorn, das Produkt des gleichnamigen Unternehmens, kam bereits 1985 in Großbritannien auf den Markt. Schlauchpilze der Art Fusarium venenatum erzeugen dafür Proteine. Diese werden anschließend mit Albumin aus Hühnerei gebunden und um Vitamine und Mineralstoffe angereichert. Dann werden sie in Form gebracht und landen als vegetarischer Fleischersatz in Pfanne und auf dem Teller. Im Jahre 2015 wechselte das Urgestein im Markt der alternativen Proteine den Besitzer und gehört nun zum philippinischen Food-Konzern Monde Nissin.
www.quorn.ph
Green Legend
Auch die als Marktführer für Geflügelfleisch bekannte deutsche PHW-Gruppe ist im Geschäftsfeld der alternativen Proteinquellen aktiv. Unter dem Label Green Legend hat das Unternehmen eine eigene Produktlinie für veganen Fleischersatz aufgesetzt. Die Basis dafür sind Proteine aus heimischen Feldfrüchten, wie Weizen, Ackerbohnen oder Erbsen.
www.phw-gruppe.de /
www.green-legend.com
Seit 2011 versucht das kalifornische Unternehmen Impossible Foods das „Unmögliche“ – ein Burger-Patty ganz aus pflanzlichen Zutaten zu schaffen, das seinen tierischen Pendants in nichts nachsteht. Als Dreh- und Angelpunkt hat das Unternehmen dabei Häm identifiziert. Das Molekül verleiht Blut die Fähigkeit, Sauerstoff zu binden und im Körper zu transportieren. Und es soll laut Forschern des Unternehmens dem Fleisch seinen Geschmack geben. Deshalb haben sie eine Hefe genetisch umprogrammiert, die nun das Häm-Protein aus Pflanzen generiert. Außerhalb Europas ist das Burger-Patty schon im Fast-Food-Markt etabliert. Auf dem alten Kontinent Fuß zu fassen, scheiterte bisher an den Gesetzen zur Gentechnik in der EU.
www.impossiblefoods.com
Fadenpilz mit Potenzial
In Berlin, im renommierten Technologiepark Adlershof wird Nosh.bio als aufsteigender Stern gehandelt. Der Protagonist des FoodTec-Start-ups ist ein Fadenpilz, der in den gläsernen Bioreaktoren wächst. Dort ernährt er sich von Maltose-Extrakt und kann schon nach ein bis zwei Tagen geerntet werden. Seine Proteine sind als Basisrohstoff für die Lebensmittelindustrie gedacht, wo sie zum Beispiel Fleischersatzprodukte in Form bringen und ihnen Halt geben. Der große Vorteil aus Sicht des Start-ups: Der Pilz bringt die Zulassung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bereits mit, was das Geschäft erheblich vereinfachen dürfte.
www.nosh.bio
Back to the Roots
Auch Mushlabs, das jetzt als Infinite Roots firmiert, hat seine Wurzeln in Adlershof. Pilze spielen bei dem 2018 gegründeten Start-up ebenfalls eine wichtige Rolle. Mit der eigens entwickelten Fermentationsplattform sollen sie zum Proteinlieferanten und Lebensmittel der Zukunft werden – so die Vision des Unternehmens. Das Pilzmyzel wird dabei in Fermentern auf Nebenströme der Agrar- und Food-Industrie geimpft. Die Ernte kann dann zu nachhaltigen Fleischalternativen verarbeitet werden.
www.mushlabs.com /
www.infiniteroots.com
Say Cheese
Auf Milchprodukte aller Art hat es das Team von Formo abgesehen. Käse, Joghurt, Quark und alles ohne Kuh, das hat sich das Berliner Start-up auf die Fahnen geschrieben, das auf genmanipulierte Mikroorganismen setzt. Mit der richtigen Gensequenz in ihrer DNA können sie Molke- und Kaseinproteine herstellen. Im Bioreaktor ergibt das eine Flüssigkeit, die mit Pflanzenfett gemischt und einem Käsereiprozess unterzogen wird.
formo.bio