Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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Hygienic Design

Hygienic Design muss auch international funktionieren

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Im Jahr 1989 haben sich einige Lebensmittelhersteller und Ausrüster zur EHEDG - European Hygienic Engineering & Design Group - zusammengeschlossen, um eine hygienegerechte Produktion weltweit sicher zu stellen. Neben der Zentrale in Amsterdam gibt es zahlreiche Regionalgruppen als Vertretungen im In- und Ausland. Inzwischen umfasst das Netzwerk insgesamt rund 750 Mitglieder. Im Gespräch äußern sich Hein Timmermann (President) und Adwy van den Berg (Operational Director) zu erreichten und anstehenden Aufgaben.

Maschinerie

Die Umsetzung der Europäischen Vorgaben und Lebensmittelgesetze obliegt den Betrieben selber. Ihre Organisation will aber dafür unter Berücksichtigung geltender Regelungen einheitliche Handlungskonzepte liefern. Auf welche Weise?

Hein Timmermann: Einen Schwerpunkt bilden unsere Guidelines, die einmal den Bereich der Hersteller von technischem Equipment und einmal den der Lebensmittelhersteller als Anwender umfassen. Diese mittlerweile über 50 Leitlinien betreffen unter anderem Materialien, Oberflächen, Geräte, wie zum Beispiel Ventile, Sensoren, Filter oder ganze Prozesssysteme für partikelförmige Produkte und Flüssigkeiten. Wichtig ist deren Harmonisierung, damit es bei Überschneidungen von Themenbereichen keine Widersprüche gibt.

Inwieweit haben die Guidelines in unterschiedlichen Ländern Einzug gehalten?

Adwy van den Berg: Die Dokumente stehen unseren Mitgliedern frei und kostenlos zur Verfügung. Daher kann man das zahlenmäßig nur schwer einschätzen. Ein gutes Beispiel ist vielleicht Polen, wo EHEDG seit letztem Jahr wieder präsent ist. Trotz vieler Lebensmittelbetriebe, sind unsere Leitlinien und sogar das Thema Hygienic Design selbst im Land generell noch wenig bekannt. Anders sieht es bei großen, internationalen Konzernen aus. So hat Coca-Cola zwar den Hauptsitz in Amerika, aber auch ein Werk in Polen. Da ist es selbstverständlich, dass das Qualitätsmanagement des Konzerns genauso wie andernorts eine Einhaltung der Guidelines anstrebt. Als ein weiteres Beispiel lässt sich DSM aus den Niederlanden nennen. Als diese jetzt mit dem Bau eines Werks in Südamerika begonnen haben, erkundigten sie sich im Vorfeld bei der EHEDG, welche Leitlinien sie ihren lokalen Partnern zur Verfügung stellen sollten. So etwas ist zwar nicht an der Tagesordnung. Es zeigt aber, dass Lebensmittelunternehmen unsere Arbeit und Empfehlungen auch bei internationalen Aktivitäten im Kopf haben.

Was ansonsten die Anzahl der verkauften Guidelines für Nicht-Mitglieder betrifft, kamen in 2022 die meisten Bestellungen aus Deutschland. Dann folgten Irland und UK, Norwegen, Finnland, … außerhalb Europas standen Japan, Chile, Brasilien und Argentinien am weitesten vorn.

Tank Halle

Tank Halle

Lässt sich anhand dessen trotzdem etwas zur Entwicklung sagen?

Adwy van den Berg: Theoretisch schon. Ein objektiver Vergleich mit den Vorjahren scheitert allerdings an den Corona-Jahren. Das betrifft zum einen die Arbeit an den Guidelines und den Austausch der Arbeitsgruppen untereinander: Üblicherweise werden die Guidelines alle fünf Jahre überarbeitet und an die aktuelle Situation beziehungsweise Herausforderungen angepasst. Die EHEDG setzt dabei auf reale Treffen der jeweiligen Arbeitsgruppen - der direkte Austausch ist einfach immer effektiver. Seit 2020 mussten diese Aktivitäten weitgehend ruhen und sich auf online-Veranstaltungen beschränken. Jetzt laufen sie aber wieder. Das zeigt sich auch an neuen Dokumenten unter anderem zu Themen wie Schokoladenverarbeitung als einen Arbeitsbereich mit besonderen produktspezifischen Erfordernissen oder Robotics und Nachhaltigkeit als übergreifende Herausforderung. Zum anderen betrifft es die beiden anderen Schwerpunkte unserer Arbeit: praxisnahe Trainings sowie die Zertifizierungen in Theorie und nach modernen, praktischen Testverfahren. Auch hier bewegt sich wieder viel. Danone zum Beispiel, ist noch nicht lange, seit zwei Jahren ein offizielles Firmenmitglied. Und das Management möchte, dass auch Angestellte in nicht-europäischen Zweigstellen wie etwa Indonesien von EHEDG-Experten geschult wurden. Es wurden dabei auch schon indonesische Mitarbeiter an Bord geholt, die nun Zugang zu den Guidelines haben. Bei entsprechender Personenzahl geben wir dazu gern auch maßgeschneiderte Schulungen direkt vor Ort. Ein großer Vorteil ist, dass wir in unserem Pool oft Experten mit guten Sprachkenntnissen des jeweiligen Landes haben. Einmal mehr zeigt sich, dass die Netzwerkarbeit bei uns nicht von ungefähr eine große Rolle spielt!

Kann es zu Problemen kommen, wenn Unternehmen mit EHEDG-Guidlines arbeiten wollen und zugleich eine Zertifizierung nach einem der großen Food Safety Standards anstreben?

Adwy van den Berg: Keinesfalls! Obwohl EHEDG als Stiftung organisiert ist, gilt sie als ist eines der führenden Wissenszentren für Hygienic Design und ist weltweit anerkannt. Die etablierten Standards wie IFS, BCR und FSSC 22000 nehmen als Grundlage immer ein Risk Assessment – und in diese sind unsere Grundsätze durchaus eingeflossen. Das bietet sich nicht zuletzt an, weil die Standards eher ein allgemeines Handlungsgerüst bilden. Unsere Guidelines sagen dagegen, warum, wie und womit die notwendigen Schritte konkret umgesetzt werden können. Dabei sollen sie bewusst allgemein Gültigkeit haben, also in unterschiedlichen Ländern gleichermaßen anwendbar sein.

Hein Timmermann: Außerdem sehen wir große Fortschritte in der Entwicklung von entsprechendem hygienischem Equipment, von denen sicher einige auf der Anuga FoodTec vorgestellt werden: Immer häufiger zeigt das EHEDG-Logo, dass Maschinen, Instrumente oder Zubehör den Leitlinien entsprechen. Derzeit arbeiten wir an Leitlinien für den Bau und die Instandhaltung kompletter Fabriken. So oder so lässt sich festhalten, dass sich eine Mitgliedschaft lohnt. Die anfallenden Kosten amortisieren sich immer - und das oft sehr deutlich und schnell. Schon allein deshalb, weil die Betriebe Zeit für Reinigungsarbeiten sparen und indem viele Rückrufe verhindert werden können.

EHEDG engagiert sich gegebenenfalls auch politisch und sorgt ansonsten mit den großen Jahreskongressen für Aufmerksamkeit. Gibt es dazu Neuigkeiten?

Hein Timmermann: Hier lässt sich beispielsweise ein Positionspapier unserer Experten zum Risiko durch PFAS, also Per- und Polyfluorinierte Alkylverbindungen, nennen. Da muss eine Balance zwischen Nachhaltigkeit, Sicherheit und Innovationen in der Food-Industrie gefunden werden. Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Umwelt stehen außer Frage. Das gilt auch bei den Polyfluorierten Alkylen. EHEDG hält es aber für sinnvoll, hier risikoorientiert zu unterscheiden. Speziell die fluorierten Polymere wie VDF und VDF-co-HFP zählen zu den unbedenklicheren Stoffen, da sie stabil und nicht-wasserlöslich sind. EHEDG hat daher vorgeschlagen, diese Untergruppe vom generellen PFAS-Verbot auszunehmen. Das gilt auch für den Einsatz von Fluoropolymer-Dichtungen in geschlossenen Maschinen der Lebensmittelindustrie. Dieses Positionspapier wurde kürzlich an die Europäische Chemikalienagentur ECHA geschickt – mit dem Angebot, gemeinsam an einer Lösung des Problems zu arbeiten.

Stichwort Kongress. Eine Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und -qualität sowie Produktivität und Nachhaltigkeit werden wieder die Basis der Agenda bilden – so wie beim vergangenen Kongress im September, bei dem mehr als 600 Stakeholder aus 74 Ländern dabei waren. 2024 findet der Kongress am 2. und 3. Oktober in Nantes statt. Dabei geht es unter anderem konkret um die Themen Mikrobiologie, Toxikologie und “Open Cleaning”.

Weiteres unter https://www.ehedg.org/congress-2024/registrations.

Adwy van den Berg und Hein Timmermann

Adwy van den Berg und Hein Timmermann