International FoodTec Award 2024 Gold: Trajektionsmischer ersetzt Rührer
Die Trajektionsmischer von hs-tumbler setzen an einem ganz neuen Punkt an, denn sie verzichten gänzlich auf Rühr- und Knetinstrumente. Stattdessen wird der Prozessbehälter mit dem zu mischenden Inhalt in eine schnelle Kurvenbahn gebracht. Das überzeugte die Experten-Jury des International FoodTec Awards 2024, die das Verfahren mit einer Goldmedaille würdigte. Wir wollten wissen, was sich hinter der „Rührvolution“ aus Quakenbrück verbirgt und sprachen mit den beiden Geschäftsführern Bernhard Hukelmann und Peter Stellbrink.
Herr Hukelmann, wie kam es zur Entwicklung des mit einer Goldmedaille ausgezeichneten rührerlosen Mischsystems?
Hukelmann: Zunächst vielen Dank für die Gelegenheit, von unserer Weltneuheit im Anuga FoodTec Magazin berichten zu können. Das Trajektionsmischen ist einige Jahre vor der Gründung des Unternehmens entwickelt worden. Ausgangspunkt waren entsprechende Forschungen am Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück ...
Dort waren Sie viele Jahre Leiter des Bereichs Automatisierungstechnik ...
Hukelmann: ... und ich habe in dieser Zeit das Verfahren nebenberuflich bearbeitet. Dank eines Investors konnten Peter Stellbrink und ich dann vor zwei Jahren die hs-tumbler GmbH gründen. Im Business- und Innovationspark BIQ in direkter Nachbarschaft zum DIL haben wir die perfekten Räumlichkeiten für den Unternehmensstart gefunden.
Aus der ersten Idee erwuchs eine marktreife Maschine, die Fleisch zarter macht und für eine bessere Aufnahme von Marinaden sorgt ...
Hukelmann: Unsere Absicht war es, den langwierigen Prozess des Tumblens durch ein nahezu kontinuierliches Verfahren zu ersetzen und so an Flexibilität und Qualität zu gewinnen. Letzten Endes mussten ja "nur" Scherkräfte in das Fleisch eingeleitet werden. Das bewirkt, ebenso wie beim herkömmlichen Tumblen, einen Eiweißaufschluss, eine Zunahme der Zartheit, eine Aufweitung der Faserzwischenräume und damit die Aufnahme von Marinaden.
Peter Stellbrink: Insofern ist der hs-tumbler im eigentlichen Sinne kein Tumbler, sondern eine Anlage, die den Vorgang des Tumblens in optimierter Weise durchführt. Die servogesteuerte Kurvenbahn – die Trajektion – des Prozessbehälters ist dabei das Äquivalent eines Mischwerkzeugs und frei programmierbar.
Beim der K1 "Handwerk" handelt es sich um ein rührerloses Misch- und Knetsystem mit Monobehälter. Die Anlage dient zur Verarbeitung von Lebensmitteln in Fleischereien und Bäckereien sowie in Großküchen und Kantinen. © hs-tumbler GmbH
Wie sieht das Anforderungsprofil eines modernen Mischers für die Lebensmittelverarbeitung aus? Und welche Vorteile ergeben sich aus dem Trajektionsverfahren?
Stellbrink: Es gibt viele Anlagenbauer, die seit Jahrzehnten mit praxisbewährten Lösungen am Markt vertreten sind. Die Herausforderung für ihre Mischer ist die von den Konsumenten geforderte Produktvielfalt. Ernährungstrends, Unverträglichkeiten oder Allergien müssen on demand berücksichtigt werden. Das ist mit den heutigen Mischsystemen, die sich um ihre eigene Achse drehen oder über einen motorgetriebenen Rührer verfügen, kaum möglich.
Hukelmann: Hier kommt der hs-tumbler ins Spiel, dessen Prozessbehälter sich nicht dreht. Stattdessen fährt dieser auf einer programmierbaren Kurvenbahn. Der Clou dieser "Rührvolution": Das im Behälter befindliche Gut verarbeitet sich schonend mit sich selbst. Die Scherkräfte bearbeiten nicht nur einen kleinen Teil der Prozessmenge wie bei den bisherigen Systemen, sondern den gesamten Inhalt. Dadurch werden Prozesse, die sonst mehrere Stunden benötigen auf z.B. 20 Sekunden herabgesetzt. Natürlich ist die Charge kleiner, durch die hohe Fertigungsfrequenz der Gesamtausstoß aber enorm hoch. Bei einer Batchgröße von 60 Kilogramm erzeugen wir mit einer J4-Anlage kontinuierlich über sieben Tonnen Kochschinken pro Stunde.
Das ist ein Vielfaches der aktuell am Markt verfügbaren Tumbler ...
Stellbrink: Darüber hinaus sind die Behälter gut zu reinigen, benötigen keine zusätzliche Kühlung und kein Vakuum. Auch die Stellfläche für das System ist mit zwei mal zwei Metern recht klein. Die Liste der Vorteile ist aber noch länger....
Haben Ressourcenschonung und Energieeffizienz bei der Entwicklung eine Rolle gespielt?
Hukelmann: Ja, beide Aspekte waren ein Antrieb für die Idee. Der hs-tumbler ermöglicht es, von einem Batch- auf einen viel kürzeren Fließprozess zu wechseln, bei dem die Produktion ohne Vorlaufzeit beginnt. Die Energieeinsparungen, die damit einhergehen, belaufen sich häufig auf mehr als 50 Prozent.
Stellbrink: Und man kann das Prinzip mit einer unserer kompakten K1-Anlagen bis an die Fleischtheke weitertragen, beispielsweise für mariniertes Grillfleisch. Ein Kunde kann sich vor Ort individuell etwas aus der Theke zusammenstellen und umgehend seine Zubereitung mitnehmen. Mit einer Stellfläche von 80 mal 80 Zentimetern steht die K1 mit Vier-, Fünf- oder Siebenliter-Behältern zur Auswahl.
Können Sie einen Kunden nennen, bei dem ein solches On-Demand-Konzept zum Einsatz kommt?
Stellbrink: Die K1 ist für den Großküchenbereich konzipiert und kann von Vinaigrette über Krautsalat bis Pizzateig unglaublich viele Lebensmittel herstellen. Begeistert sind wir von der Zusammenarbeit mit dem Caterer "Berlin Cuisine", der die Anlage einsetzt.
Hukelmann: Die Spitzenköche "Berlin Cuisine" kreieren eine Fülle von eigenen Rezepten auf der K1. Sie können Rindfleisch mit „viermal mehr Geschmack servieren“, wie sie sagen, und eine Fülle von frisch zubereiteten Speisen. Darunter vegane Produkte, die vorher als Fertigprodukte zugekauft wurden. Das wird natürlich von den Kunden des Gastro-Unternehmens honoriert.
Wie vielseitig ist das System?
Hukelmann: Jede Produktklasse mit ihren ganz eigenen Viskositätsbereichen benötigte bisher einen darauf abgestimmten Rührer. Um das zu veranschaulichen: Niemand käme auf die Idee, Nudelteig mit einem Schneebesen zu kneten. Anders unsere hs-tumbler. Sie können Produkte im gesamten Viskositätsbereich verarbeiten, von Sahne, über Fleischzubereitungen bis zu Nudelteig – und alles, was dazwischen liegt. Weil sich die Bahnkurve spezifizieren lässt, folgt der Prozessbehälter während des Betriebs gewissermaßen der Viskosität des Produkts.
Mit Viskosität fällt ein wichtiges Stichwort. Gibt es Limitierungen hinsichtlich rheologischer Parameter?
Hukelmann: Eine gute Frage. Hier lässt sich die Einzigartigkeit des Systems noch einmal gezielt hervorheben. Mit dem hs-tumbler lassen sich Substanzen über einen großen Viskositätsbereich verarbeiten, beginnend unterhalb einer Millipascalsekunde bis rund zehn hoch sechs Millipascalsekunden. Obwohl es ein sehr schonendes Verfahren ist, denn das Produkt verarbeitet sich ja ausschließlich mit sich selbst, ist es in der Lage, massiv Energie einzuleiten
Stellbrink: Zudem lassen sich nahezu alle homogenen, heterogenen und kolloidalen Stoffgemische verarbeiten. Das trauen viele Interessenten dem System erstmal nicht zu, weil der Vorgang von außen betrachtet, wie ein Schütteln aussieht.
Das heißt, es können auch trockene Pulver für Backmischungen oder Getränkezubereitungen verarbeitet werden, um diese abfüllbereit zu verpacken?
Hukelmann: Tatsächlich ja. Der Trick besteht darin, dass wir am Ende der Bahnkurve bestimmen können, wie "scharf" diese gefahren wird. Dadurch lässt sich der Grad der eingeleiteten Scherkräfte bestimmen. Im Ergebnis wird eine intensive Durchmischung aller Komponenten erzielt.
Das Aufheizen mit anschließendem Abkühlen sind typische Anforderungen in vielen Mischprozessen. Lässt sich ein solcher Wärmeübergang mit Trajektionsmischern realisieren?
Hukelmann: Das Gut im Prozessbehälter wird gezielten Beschleunigungskräften ausgesetzt. Daher ist der Kontakt von Prozessgut und Behälterwandung hervorragend. Wir müssen also nicht auf Konvektion warten. Zudem herrscht zumeist eine turbulente Strömung an der Oberfläche, welche den Wärmetransport in beide Richtungen begünstigt. Wir können die Lebensmittel in kurzer Zeit auf ein homogenes Temperaturniveau bringen – schneller als in einer Mikrowelle.
Sie haben es bereits angesprochen: Mit der J4 bieten Sie eine Variante für den industriellen Einsatz an. Was zeichnet die Maschine aus und wie lässt sie sich in die Prozesse vor Ort einbinden?
Stellbrink: Bei der J4 nutzen wir durch die vier symmetrisch angeordneten Prozessbehälter das Prinzip der gegenläufigen Beschleunigungen und arbeiten extrem energieeffizient, in dem die Schwingungen der einzelnen Behälter sich gegenseitig aufheben. Den Weg in die Produktion finden unsere industriellen Anlagen über optimal ausgerüstete Systemintegratoren. In der Lebensmittelindustrie soll die erste Inbetriebnahme spätestens Ende 2024 abgeschlossen sein. Eine Integration in der Non-Food-Industrie sehen wir bereits Mitte 2024.
Hukelmann: Für die Kunden ist die enorme Leistungsfähigkeit der J4 nicht einmal der ausschlaggebende Faktor. Unsere Zugpferde sind Flexibilität, Qualität, einfache Reinigbarkeit sowie der hohe Automationsgrad. Zusätzlicher Vorteil ist die Anwendbarkeit für hochviskose und vegane Produkte. Damit ist der hs-tumbler eine zukunftssichere Investition, die für kommende Anforderungen bestens gewappnet ist.
Das Aufheizen mit anschließendem Abkühlen sind typische Anforderungen in vielen Mischprozessen. Lässt sich ein solcher Wärmeübergang mit Trajektionsmischern realisieren?
Hukelmann: Das Gut im Prozessbehälter wird gezielten Beschleunigungskräften ausgesetzt. Daher ist der Kontakt von Prozessgut und Behälterwandung hervorragend. Wir müssen also nicht auf Konvektion warten. Zudem herrscht zumeist eine turbulente Strömung an der Oberfläche, welche den Wärmetransport in beide Richtungen begünstigt. Wir können die Lebensmittel in kurzer Zeit auf ein homogenes Temperaturniveau bringen – schneller als in einer Mikrowelle.
Welches sind für Sie als Anlagenbauer die größten Herausforderungen?
Hukelmann: Die große Herausforderung ist, dass unser Verfahren oberflächlich betrachtet, wie ein Schütteln aussieht. Lebensmittelhersteller unterschätzen oft das Potenzial und schließen aus ihrer Erfahrung mit traditionellen Mischern darauf, dass sich der hs-tumbler nicht für ihre Einsatzzwecke eignet. Unser Produkt ist sehr erklärungs- und demonstrationsbedürftig. Mir bereitet es aber immer wieder Freude, wenn Kunden zunächst skeptisch zu uns nach Quakenbrück kommen, und wir nach den erfolgreich durchgeführten Versuchen das Leuchten in ihren Augen sehen.
Food Tec Award
Vor diesem Hintergrund: Wie wichtig ist die Auszeichnung mit dem Anuga FoodTec-Award für Sie?
Hukelmann: Der Award ist als renommierte Auszeichnung für technologische Innovationen in der Lebensmittelverarbeitung bekannt und hat eine sehr große Bedeutung für unser Startup, wie auch die Anuga FoodTec als Messeplattform. Dank der Goldmedaille können wir auf gute Resonanz hoffen, gewinnen weiter an Bekanntheit und können unseren Kundenkreis erweitern.
(BU 3) Zwei, die mitmischen wollen: Bernhard Hukelmann (links) und Peter Stellbrink sehen ein großes Potenzial für ihr Trajektionssystem, das mit dem International FoodTec Award ausgezeichnet wurde. © hs-tumbler GmbH