Köln: 23.–26.02.2027 #AnugaFoodTec2027

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„Wir haben einen Meilenstein erreicht!“

Normungsroadmap Wasserstofftechnologien

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Grüner Wasserstoff wird künftig als vielfältig einsetzbarer Energieträger eine Schlüsselrolle in der Lebensmittelindustrie einnehmen. Auch die Normung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ende Juli haben die Projektpartner der Wasserstoff-Normungsroadmap erstmals konkrete Handlungsempfehlungen veröffentlicht, die den Markthochlauf der Technologien beschleunigen sollen. Dazu sprachen wir mit Dr. Lydia Vogt vom DIN e.V., die dort das neue Geschäftsfeld Wasserstofftechnologien betreut.

Dr. Lydia Vogt, Head of Strategic Development Hydrogen Technologies bei DIN. Seit 1. Januar 2022 betreut sie dort das neue Geschäftsfeld Wasserstofftechnologien.

©Eva Haeberle

Frau Dr. Vogt, seit Anfang 2022 betreuen Sie das neue Geschäftsfeld Wasserstofftechnologien bei DIN. Welches sind Ihre Aufgaben und warum hat DIN sein Engagement in diesem Bereich ausgeweitet?
Grüner Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Energiewende und ein wichtiges strategisches Thema für DIN. Es handelt sich um ein Querschnittsthema mit vielen Akteuren. So gibt es über 400 nationale, europäische und internationale Gremien, die Normen und technische Regeln in diesem Bereich erarbeiten. Ich unterstütze bei diesem großen Koordinationsaufwand, mit dem Ziel den Anwender und Anwenderinnen ein umfassendes und kongruentes Normenwerk für Wasserstoff zur Verfügung zu stellen.

Wenn wir über Wasserstofftechnologien sprechen: Wozu braucht es Normen und Standards? Welche Vorteile erwachsen draus speziell für die Akteure der Wertschöpfungskette des grünen Wasserstoffs?
Normen und Standards definieren Terminologie, Schnittstellen, Sicherheits-, System- und Qualitätsanforderungen, sowie Prüfungs- und Zertifizierungsgrundlagen. Sie schaffen somit ein einheitliches Verständnis über Fachgebietsgrenzen hinweg. Dies sind wichtige Grundlagen, um die dringend benötigte Skalierung der Wasserstofftechnologien zu ermöglichen. Darüber hinaus unterstützt die Anwendung von Normen rechtssicheres Handeln und bildet die Grundlage für belastbare wirtschaftliche Investitionen, wie sie beispielsweise auch in der Lebensmittelindustrie getroffen werden müssen.

Ende Juli wurde die Normungsroadmap Wasserstofftechnologien vorgestellt, die rund 180 Handlungsempfehlungen enthält ...
Die Veröffentlichung war ein wichtiger Meilenstein des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Verbundprojekts "Normungsroadmap Wasserstofftechnologien", dass durch die nationalen Normungsorganisationen und technischen Regelsetzer organisiert wird. Zusammen mit rund 1.600 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft wurde ein strategischer Fahrplan erarbeitet – für eine schnelle und gezielte Erweiterung und Anpassung des technischen Regelwerks im Bereich der Wasserstofftechnologien.

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© Projektpartner Normungsroadmap Wasserstofftechnologien

Wie fällt Ihr Fazit aus? In welchen Bereichen besteht noch großer Forschungsbedarf?
Es hat sich gezeigt, dass die verschiedenen Themenbereiche unterschiedliche Entwicklungsstände aufweisen. Während das technische Regelwerk für leitungsgebundene Infrastrukturen bereits nahezu vollständig ist und teilweise in die Revision übergeht, sind andere Bereiche in der Koordinations- beziehungsweise Initiierungsphase. In den Bereichen Luft- und Schiffsverkehr, alternative Wasserstofferzeugungsarten oder im Bereich der Derivate gibt es beispielsweise noch viele Lücken, die es zu schließen gilt. Das Roadmap-Dokument steht kostenlos unter https://bit.ly/4eC8oj7 zum Download zur Verfügung.

Wie gut sehen Sie Deutschland bezüglich von Normungsaktivitäten aufgestellt?
Grundsätzlich sehen wir eine hohe Beteiligung deutscher Expertinnen und Experten an der Erarbeitung von Normen auf europäischer und internationaler Ebene und eine hohe deutsche Vertretung im Bereich der Wasserstofftechnologien. Beispielsweise hat DIN für einige Arbeitsgruppen des internationalen Gremiums "ISO/TC 197 Hydrogen Technologies" die Sekretariatsführung inne und leitet die Koordinierungsgruppe der europäischen Normungsgremien, die sich mit Wasserstoff befassen. Es ist wichtig, dass wir diese aktive Rolle künftig beibehalten und die Normungsaktivitäten entsprechend mitgestalten, um Inhalte zu setzen und zu gewährleisten, dass Sicherheitsanforderungen den deutschen beziehungsweise europäischen Maßstäben gerecht werden. Der Satz "Wer nicht normt, wird genormt!“ fasst es meiner Meinung nach treffend zusammen.

Gibt es Best-Practice-Lösungen, die im Rahmen der Arbeiten an der Roadmap identifiziert wurden?
Insgesamt wurden über 180 Handlungsempfehlungen für die technische Regelsetzung erarbeitet. Voraussetzung für das Aussprechen dieser Handlungsempfehlungen war ein ausreichender Reifegrad in der technischen Entwicklung. Für Themen, in denen dieser technische Reifegrad noch nicht erreicht war, wurden stattdessen Handlungsempfehlungen für die pränormative Forschung ausgesprochen.

Insbesondere im Bereich "Erzeugung" handelt es sich noch größtenteils um Pilotprojekte, die auf der Wasserstoffelektrolyse basieren. Welche Lücken konnten Sie hier identifizieren? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Für die Erzeugung von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse ist der Reifegrad des Bestands an technischen Regeln relativ weit fortgeschritten. So liegen Kernnormen für die Bereiche Sicherheit, Planung, Errichtung und Betrieb für die Elektrolyse vor. Noch zu schließende Bedarfe gibt es beispielsweise bei den Themen Messabläufe, Leitfäden für Anlagenoptimierung, Einspeiseoptimierung im Netz und internationaler Harmonisierung.

Grüner Wasserstoff wird künftig als vielfältig einsetzbarer Energieträger eine Schlüsselrolle in der Lebensmittelindustrie einnehmen

©Pixabay

Gibt die Roadmap der Industrie sichere Erkenntnisse darüber, welche der bestehenden Normen schon jetzt auf Wasserstoffanwendungen übertragbar sind?
Ein wichtiges Ergebnis der Normungsroadmap ist ein umfassendes Verzeichnis der bereits anwendbaren technischen Regelwerke für Wasserstofftechnologien, die wir der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Das unter https://bit.ly/3ZyUfi8 zugängliche Verzeichnis enthält mehr als 900 Einträge und wurde jüngst aktualisiert.

Wie geht es weiter auf dem Weg zur finalen Roadmap an, die Ende 2025 vorliegen soll?
Mit der Veröffentlichung der Normungsroadmap diesen Sommer ist ein wichtiger Grundstein für die Weiterentwicklung des technischen Regelwerks für Wasserstofftechnologien gelegt. Im Rahmen des Projekts werden wir den vorliegenden Fahrplan weiter konkretisieren und verstetigen, um die Entwicklung der Qualitätsinfrastruktur für Wasserstoff weiter voranzutreiben.

Welchen Arbeiten stehen als nächstes konkret an?
In den nächsten Jahren werden vermehrt Ergebnisse aus den verschiedenen Forschungsvorhaben und Praxiserfahrung vorliegen, die die Anpassung und Erweiterung des technischen Regelwerks ermöglichen. Auch hier wird die Normungsroadmap Wasserstofftechnologien mit ihrem Netzwerk an Expertinnen und Experten die Überführung in das technische Regelwerk unterstützen. Weiterhin werden die Fortschritte der Normungsaktivitäten und Aktivitäten der technischen Regelsetzung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene eng verfolgt und berücksichtigt. Diese Entwicklungen und die weitere Ausarbeitung der Handlungsempfehlungen zur Schließung vorhandener Lücken, insbesondere in den Bereichen mit aktuell noch geringen Entwicklungsständen, wird in der zweiten Version der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien dargestellt werden. Interessierte Experten und Expertinnen sind herzlich eingeladen, sich an der weiteren Erarbeitung zu beteiligen.