Schonende Haltbarmachung bei 6.000 bar
Minimal Processing auf dem Vormarsch
Die Ansprüche der Konsumentinnen und Konsumenten an Lebensmittel wachsen stetig: Sie sollen natürlich sein, ansprechend aussehen und möglichst lang halten. Außerdem ist ein maximaler Gehalt an Nährstoffen gefragt. Innovationen treiben die Sicherheit und Qualität im Lebensmittelbereich stetig voran. Mit innovativen Verfahren, wie sie auf der Anuga FoodTec in Köln im Mittelpunkt stehen, erfolgt die Verarbeitung schonend und in weniger oder kürzeren Schritten als bei klassischen Technologien. Gepulste elektrische Felder und UV-Strahlung sind Beispiele für solch schonende Verfahren.
Unter den nicht-thermischen Pasteurisierungstechniken ist es vor allem die Hochdruckpasteurisierung (High Pressure Pasteurization, kurz HPP) die an Bedeutung gewinnt. Statt das Lebensmittel über einen längeren Zeitraum zu erhitzen, wird es kurzzeitig hohem Druck ausgesetzt, um die schädlichen Mikroorganismen zu zerstören. Das Verfahren bietet für empfindliche Produkte eine interessante Alternative zur herkömmlichen Wärmebehandlung und folgt den Prinzipien des "Clean Label", also der Lebensmittelproduktion ohne Zusatzstoffe. Mit Hiperbaric, JBT und Thyssenkrupp Uhde zeigten gleich drei Schlüsselakteure dieser Technologie Präsenz auf der Anuga FoodTec 2024. Und das nicht ohne Grund – denn das Verfahren revolutioniert die Art und Weise, wie Lebensmittel und Getränke haltbar gemacht werden und versetzt Hersteller in die Lage, innovative Produkte zu kreieren.
Das HPP-Verfahren, so funktioniert es
Bei der Hochdruckbehandlung werden Lebensmittel üblicherweise in ihrer Endverpackung in einem Wasserbad unter hohen Druck gesetzt. Bereits seit 1990 werden in Japan Fruchtmarmeladen mit dem HPP-Verfahren behandelt, um deren Frische bei längerer Haltbarkeit zu gewährleisten. „Damit war der Grundstein für die Verbreitung der Hochdruckpasteurisierung gelegt“, sagt Boris Brockhaus von Uhde High Pressure Technologies. In den darauffolgenden Jahren hat sich HPP dann zu einer beliebten Methode entwickelt, um Lebensmittel frisch zu halten, ohne Hitze oder Konservierungsstoffe einzusetzen. „Seit Beginn des Jahrtausends findet das Verfahren immer stärkeres Interesse in der Frucht- und Fleischindustrie“, so der Product Manager HPP.
Die Lebensmittel werden in speziellen Körben in den Hochdruckbehälter gefüllt, der in die Maschine geführt und mit Wasser gefüllt wird. Dabei wirkt ein Wasserdruck von 6.000 bar gleichmäßig von allen Seiten ein und reicht bis in den Kern. Brockhaus: „Bei der Druckerhöhung wird das Wasser um etwa 17 Prozent komprimiert und es werden zusätzlich 60 Liter Wasser in einen 350 Liter Hochdruckbehälter eingepresst, um den erforderlichen Druck zu erreichen.“ Da das Wasser als drucktransferierendes Medium dient, werden die verpackten Lebensmittel homogen und schonend mit Druck beaufschlagt. Es entstehen keine Scherkräfte und das Produkt wird nicht verformt. Im Anschluss öffnet sich die Maschine und die Ware wird über Bänder nach außen geschoben, damit sie aus den Behandlungskörben entladen werden kann. Da sich die Lebensmittel bereits in ihrer Endverpackung befinden, kann eine anschließende Kontamination ausgeschlossen werden. Zudem lassen sich unterschiedliche Produkte gleichzeitig behandeln, etwa Fruchtsäfte und Pürees innerhalb desselben Zyklus.
Mitte Juni bestand für die Teilnehmer des "DIL Technology Day 2024" die Gelegenheit zur Besichtigung des Uhde Applikationszentrums in Quakenbrück. Copyright: © Press4Process
Hält länger, schmeckt wie frisch gepresst
Im Uhde Service Center im niedersächsischen Quakenbrück können verschiedenste Lebensmittel wie Säfte, Milchprodukte, Fleischwaren, Meeresfrüchte und viele mehr behandelt werden. Es befindet sich in direkter Nähe zum Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL), mit dem Thyssenkrupp Uhde High Pressure Technologies im Bereich Forschung kooperiert. Seit 2021 können auf einer Fläche von etwa 630 Quadratmeter täglich bis zu 26 Tonnen Lebensmittel schonend und sicher haltbar gemacht werden. Schwerpunkte der Zusammenarbeit sind unter anderem mikrobiologische Untersuchungen und die Entwicklung nachhaltiger Lebensmittel auf Basis der HPP-Technologie sein.
Mitte Juni bestand für die Teilnehmer des "DIL Technology Day 2024" die Gelegenheit zur Besichtigung des Applikationszentrums. „Hygiene und Sicherheit in der Lebensmittelindustrie sind relevanter denn je, und mit der HPP-Technologie unterstützen wir den anhaltenden Trend zu möglichst naturbelassenen, hochwertigen Lebensmitteln“, so Brockhaus, der der Rundgang leitete. Da Hochdruck viele lebensmittelschädliche Organismen ausschaltet und Enzyme deaktivieren kann, werden Verfallsprozesse deutlich verlangsamt und zum Teil sogar verhindert. So werden beispielsweise einige Obstsorten nicht mehr braun. Aromastoffe und Vitamine hingegen nehmen keinen nennenswerten Schaden und bleiben intakt. Brockhaus: „Die Hochdruckpasteurisierung hat sich vor allem bei Fruchtprodukten und Fleischprodukten bewährt. Denn obwohl auch sehr empfindliche Lebensmittel in ihrer Endverpackung diesem Druck ausgesetzt werden, bleiben ihr Erscheinungsbild und ihre Konsistenz nach der Behandlung zum Großteil unverändert.“
Mit Hochdruck gegen pathogene Keime
Während die Stärke des Drucks nicht hoch genug ist, um kovalente Bindungen zu lösen oder neue Verbindungen entstehen zu lassen, ist sie in der Lage schwache Bindungen zu zerstören. Aus eben diesen schwachen Bindungen bestehen die Zellmembranen von Bakterien und Keimen, weshalb sie eliminiert werden. „Da das Produkt direkt in seiner finalen Endverpackung behandelt werden kann, kommt es auch im Nachgang zu keinerlei Kontaminationen“, so Brockhaus. Bereits nach einer Dauer von etwa drei Minuten unter Druck reduziert sich die aerobe Gesamtkeimzahl in frisch gepresstem Orangen- und Pfirsichsaft um ein Vielfaches. Die Zykluszeit ist abhängig vom Produkt und der resultierenden Verweildauer und kann zwischen zwei und neun Minuten variieren – je nach Vorbelastung, pH-Wert und Wasseraktivität.
Dabei ist das Verfahren unter dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit genauso unbedenklich wie andere – ein Schlussforderung, die auch seitens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Rahmen eines wissenschaftlichen Gutachtens bestätigt wurde. Die Sachverständigen der EFSA beurteilten die Frage, ob das Verfahren zur Kontrolle von Listeria monocytogenes in verzehrfertigen Lebensmitteln und als Alternative zur thermischen Pasteurisierung von Rohmilch eingesetzt werden kann. Bei bestimmten Zeit-Druck-Kombinationen, die im Gutachten dargelegt werden, verringert die Behandlungsmethode den Listeria-monocytogenes-Gehalt in verzehrfertigen Lebensmitteln. Dabei gilt: Je länger die Dauer und Intensität des Drucks, desto stärker die Verringerung. Die Hochdruckbehandlung erwies sich zudem als wirksam bei der Reduzierung des Gehalts an anderen Krankheitserregern wie Salmonella und Escherichia coli. Für Rohmilch ermittelten Experten die Zeit-Druck-Kombinationen, die als ebenso wirksam wie die thermische Pasteurisierung angesehen werden können.
Die Hochdruckbehandlung kann in verschiedenen Schritten der Lebensmittelkette erfolgen und wird in der Regel bei Erzeugnissen in Fertigpackungen eingesetzt. Copyright: © Uhde High Pressure Technologies GmbH
Lebensmittelsicherheit ohne Qualitätseinbußen
Und auch in Sachen Energieeffizienz kann das Verfahren überzeugen, wie Boris Brockhaus hervorhebt. Denn: „Der Gesamtzyklus hat einen Energieverbrauch von etwa 17 Kilowattstunden. Zum Vergleich, um die entsprechende Wassermenge von fünf auf 80 Grad Celsius zu erwärmen, wäre fast die doppelte Energiemenge notwendig“, so der Experte.
Die Hochdruckbehandlung kann in verschiedenen Schritten der Lebensmittelkette erfolgen und wird in der Regel bei Erzeugnissen in Fertigpackungen eingesetzt. Sie ist für Roherzeugnisse wie Milch, Fruchtsäfte und Smoothies geeignet, aber auch für vorverarbeitete Erzeugnisse wie Erzeugnisse aus geschnittenem Kochfleisch und verzehrfertige Lebensmittel. Im letzteren Fall verringert sie die Kontaminierung aus der Herstellungsumgebung, etwa beim Schneiden und der Handhabung der Erzeugnisse. Trockene Produkte wie Pulver oder Produkte mit einem Luftanteil wie Brot funktionieren nicht, da der Druck im Produkt nicht transferiert werden kann oder die Luft aus dem Produkt herausgedrückt wird. Die Verpackungen selbst müssen flexibel sein, wie etwa PET-Flaschen, Vakuumbeutel, Folien, Tiefzugschalen oder Sleeves. Uhde High Pressure Technologies bietet die Möglichkeit die Anwendung im Applikationszentrum in Quakenbrück zu testen. Sobald das Produkt marktreif entwickelt ist, unterstützt UHPT mit der Lohnbehandlung, dabei kann der Kunde seine Produkte am Standort in Quakenbrück bis zu einer Kapazität von 25 Tonnen am Tag behandeln lassen.