DLG-Innovation Award – Wissenschaftlerinnen erhalten Lebensmitteltechnologiepreis für praxisrelevante Arbeiten
Britta Graf von der Universität Hohenheim, Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotech-nologie, sowie Deborah Becker von der Technische Universität Berlin, Institut für Lebensmit-telbiotechnologie und -prozesstechnik, teilen sich den ersten Platz des Innovation Award "Junge Ideen" 2022 der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft). Beide Nachwuchs-wissenschaftlerinnen überzeugten die Jury mit ihrer praxisrelevanten Arbeit im Bereich Mik-rowellentechnologie beziehungsweise automatisierte Produktentwicklung.
Die Preisträgerinnen des diesjährigen DLG-Innovation Award "Junge Ideen": Britta Graf und Deborah Becker (rechts). (Fotos: © DLG)
Herausragende Forschung junger Talente
Den Innovation Award "Junge Ideen" vergibt die DLG jährlich an wissenschaftliche Nach-wuchstalente für ihre herausragenden Forschungsarbeiten. Der wissenschaftliche Beirat des DLG-Hauptausschusses Fachzentrum Lebensmittel ermittelt die Preisträger:innen unter den Bewerbungen. Der mit insgesamt 2.500 Euro dotierte Lebensmitteltechnologiepreis fördert damit junge Wissenschaftler:innen.
Preisträgerin Britta Graf setzte sich in ihrer Promotionsarbeit mit der "Mikrowellentechnologie zum Erhitzen von flüssigen und konzentrierten Milchprodukten im Technikumsmaßstab" aus-einander, unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg Hinrichs, Leiter des Fachgebiets Milchwissen-schaft und -technologie und der Forschungs- und Lehrmolkerei an der Uni Hohenheim. Im Zentrum standen Lösungsansätze für die Sporenproblematik in Milchpulvern.
Der DLG-Innovation Award "Junge Ideen" fördert herausragende Forschungsarbeiten im Bereich Le-bensmitteltechnologie. (Bild: © DLG)
Mikrowellentechnologie als alternatives Erhitzungsverfahren
Die Ergebnisse zeigen, dass die kontinuierliche Mikrowellenerhitzung eine alternative Techno-logie zum Erhitzen flüssiger und pastöser Milchprodukte ist. Der direkte Wärmeeintrag erlaubt gleichmäßiges und schonendes Erhitzen von konzentrierten Milchprodukten bei reduziertem Fouling. Durch das Potenzial, auch thermophile Sporen zu inaktivieren, wird ein mikrobiell stabileres Produkt erzeugt. Damit eröffnet die Mikrowellentechnologie zudem neue Möglich-keiten, etwa im Bereich der Säuglingsnahrung, Milchkonzentrate im Anschluss zu "sporenre-duzierten" Milchpulvern zu verarbeiten.
Reduziertes Fouling durch den Einsatz von Mikrowellentechnologie verlängert die Standzeit der Anlage und reduziert damit Reinigungskosten und -aufwand. Zusätzlich kann die Anlage ausschließlich durch Strom, der bestenfalls durch grüne Energie gewonnen wurde, betrieben werden. Ein weiterer Vorteil: Der Wasserverbrauch durch das Fehlen von Dampfkesseln ist reduziert.
Das sogenannte customized phase treatment (CPT) bietet mittels Mikrofiltration und getrenn-tem Erhitzen der erhaltenen Phasen ein neues, alternatives Herstellungsverfahren für lager-fähige Milchprodukte und ist im technischen Maßstab direkt implementierbar. Durch die ver-längerte Haltbarkeit mit gleichzeitigem Erhalt wertgebender Inhaltsstoffe bringt der CPT-Prozess ein neuartiges Produkt in der Gruppe der H-Milchen hervor. Eine kontinuierliche Mik-rowellenanlage bietet einen platzsparenden Aufbau, leichte Bedienung und schnelle sowie schonende Erhitzung mit exakter Temperaturkontrolle. Durch flexible Designoptionen eignet sich eine solche Anlage sowohl im technischen Maßstab als auch für Nischenprodukte, be-sonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Automatisierung in der Produktentwicklung
Preisträgerin Deborah Becker beschäftigte sich unter der Leitung von Prof. Dr. Cornelia Rauh, Prof. Dr. Christoph Hartmann und Dr. Christopher McHardy mit der Automatisierung in der Produktentwicklung. Ziel ihrer Arbeit war es, aus dem Chemieingenieurwesen bekannte Methoden auf den Bereich der Lebensmitteltechnologie zu übertragen. Neueste Anwendun-gen haben hier gezeigt, dass die Effizienz der Produktentwicklung zusätzlich gesteigert wer-den kann, wenn die automatisierten Experimente mit Optimierungsalgorithmen gekoppelt werden. Diese Algorithmen basieren auf dem Konzept des Aktiven Lernens, d. h. sie „lernen“ aus vorhandenen Daten und identifizieren mit möglichst wenig zusätzlichen Experimenten einen optimalen Datensatz, passend zur vorliegenden Problemstellung.
Durch das von Becker entwickelte Kreislaufverfahren konnte eine sonst aufwendige Ver-suchsdurchführung auf eine Dauer von nur wenigen Stunden minimiert werden. Es ist dabei möglich, einen großen Satz wiederholbarer und zuverlässiger Daten zu erzeugen und gleich-zeitig zufällige Fehler, insbesondere bei Routinevorgängen, zu vermeiden. Zudem war es durch den Maßstab der Millifluidik-Robotik-Plattform möglich, die benötigte Probenmenge deutlich zu reduzieren.
Bei der untersuchten salzinduzierten Aggregation von thermisch behandeltem Molkenprotein gaben die integrierten Inline-Messvorrichtungen für Trübung und Viskosität einen qualitativen Hinweis auf die Bildung von Aggregaten und den Effekt der einzelnen Komponenten der Formulierung. Diese gewonnenen Erkenntnisse über die vorherrschenden Effekte in komple-xen Systemen können abgeleitet und für die weitere Forschung genutzt werden.
Beckers Arbeit zeigt, dass Automatisierung und Aktives Lernen in der Lebensmitteltechnolo-gie erfolgreich eingesetzt werden können. Weiterentwickelt und auf Rezepturen höherer Komplexität angewendet, kann die hier beschriebene Methodik zu einer schnelleren, nachhal-tigeren und kostensparenden Produktentwicklung für zukünftige Lebensmittel führen.
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